„Sommerschule 21″ – Gelebte Schul„Kultur” als wichtiger Schritt zur anstehenden langwierigen Rückeroberung der Schulnormalität: Eine Bilanz aus schulischer Sicht.
Das Burgdorfer Mehrgenerationenhaus (BMGH) hat in Zusammenarbeit mit der Jugendpflege und unter der Beteiligung der Astrid-Lindgren-Grundschule und des Gymnasiums Burgdorf in den letzten zwei Wochen der Sommerferien gemeinsam die „Sommerschule 21″ in Burgdorf durchgeführt. Im Allgemeinen sollten die teilnehmenden Kinder beim kulturellen Lernen zu den Schwerpunktthemen Bienen, Schwimmen und Einkaufen andere Formen von „Schule“ kennenlernen und Spaß haben, den Lebens- und Lernort Schule nach den letzten eineinhalb Jahren des pandemischen Ausnahmezustands für sich zurückerobern.
Schule ist längst nicht mehr nur Ort der Wissens- und Kompetenzvermittlung, sondern ein wichtiger Lebensort: Erziehung und Wertevermittlung finden bei vielen Kindern und Jugendlichen zunehmend in der Schule statt. Als Bildungseinrichtung sollten wir entsprechend eine Schul„Kultur“ anbieten und leben, um den Bedürfnissen der Kinder, Eltern und der gesamten Gesellschaft zu entsprechen. Das Grundbedürfnis nach Kontakten, kulturellem Lernen, offenem Lebensraum und Lernort nehmen wir in dieser Zeit verstärkt wahr. Ohne soziale Kontakte stellt sich ein allgemeines Unwohlsein bei uns Menschen ein und unsere Leistungsbereitschaft sowie unser Leistungsvermögen sinken (ungewollt).
„Sommerschule 21″ als ein Baustein der individuellen Lernförderung in Coronazeiten
Zu Beginn diesen Kalenderjahres initiierten wir am Gymnasium Burgdorf das Programm „Lernzeit in der Schule“, das sich aus der Notbetreuung und der (telefonischen sowie digitalen) Beratung von Eltern und SchülerInnen entwickelte. Aufgrund unserer Bedarfsanalyse sollte die „Lernzeit in der Schule“ nachstehende Ziele verfolgen: eine Betreuung anbieten, um Lernrückstände aufzuholen, bei der Strukturierung des Lernalltags und der Nutzung digitaler Endgeräte unterstützen, Schülerinnen aus gesellschaftlich benachteiligten und/oder bildungsfernen Familien ein Lernumfeld zu bieten, DAZ-Kinder fördern, Eltern mit inklusiv zu beschulenden Kindern entlasten.
Kinder und Eltern äußerten – zeitgleich mit dem Einstieg in das Szenario B und dann A – den zunehmend wahrgenommenen
Bedarf an jahrgangs- und fächerbezogener Aufbereitung von Lernrückständen. Das Gymnasium Burgdorf trug diesem u.a. Rechnung durch die Einführung der „digitalen Lernzeit Mathe“ und einem Präsenzangebot für Deutsch und Englisch in den Randstunden.
Was uns am Gymnasium Burgdorf nach der Rückkehr in den sogenannten Regelbetrieb ab Mai 2021 jedoch in höherem Maße als gedacht beschäftigte, war, dass das coronabedingte Distanzlernen sehr unterschiedliche Auswirkungen bei den SchülerInnen im Hinblick auf Lernstrukturen und Lernrückstände aufwies. Konzentrationsschwächen, Auffälligkeiten im sozialen Miteinander, Schwierigkeiten im Einhalten von Regeln und Anwenden von Lernstrukturen erschwerten und veränderten zusätzlich die Lernprozesse. Die „Sommerschule 21″ setzte genau an diesen Beobachtungen an und war somit ein Baustein der individuellen Lernförderung. Mit dem Burgdorfer Mehrgenerationenhaus (BMGH) und der Jugendpflege in Burgdorf, beides langjährige Kooperationspartner des Gymnasiums, konnten wir das Projekt „Sommerschule 21″ umsetzen.
Ausrichtung der „Sommerschule 21″ aus gymnasialer Perspektive
Die Initiatoren, das BMGH, die Jugendpflege und das Gymnasium Burgdorf waren sich einig, dass das soziale Miteinander eine politische und eine kulturelle Dimension hat. Teilhabe zu ermöglichen, Angebote zu machen, Hilfe anzubieten, Schulstrukturen zu vermitteln, der Vereinzelung trotz Corona entgegenzuwirken und die Demokratieförderung – in der Wertschätzung der Vielfalt – insbesondere im interkulturellen Miteinander engagiert anzugehen sowie Freude beim Lernen zu vermitteln waren unsere gemeinsame Zielrichtung. Ein umfangreiches Kreativprogramm (Burgdorfer Jugendhilfe und Soziales Lernen verbindet) und Angebote zur Aufarbeitung von Lernrückständen (Gymnasium Burgdorf) schärften das Profil der „Sommerschule 21″.
Die ästhetische Bildung war unser Zugang, Freude am Lernen zu vermitteln und Begegnungen zu schaffen: Über Musik (z.B. Flötenunterricht) , Kunst (Graffiti-Workshop, Hundertwasser und Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur), Sprache (DAZ-Unterricht, Zeichensetzung und Satzteilbestimmungen im Deutschen, Englische Sachliteratur, Englische Grammatik, u.v.m.), Geisteswissenschaften (Werbung und ihre Wirkung auf uns), Naturwissenschaften (Bienenkunde und Mikroskopieren u.v.m.), wurde der Zugang zu vielen inhaltlichen und methodischen Kompetenzen, auch für weitere Fachdisziplinen, angebahnt und inklusive, demokratische Kompetenzen vermittelt.
Im Sport- wie auch Schwimmunterricht wurde durch koordinative und konditionelle Übungen Freude an Bewegung und Fitness vermittelt. Vor allem in diesem Bereich schien uns bedingt durch die Pandemie ein großer Nachholbedarf. Wichtig war uns, in der „Sommerschule 21″ erfahrendes Lernen sowie eine gelebte Schul„Kultur“ in den Vordergrund zu stellen.
Organisation und Durchführung
„Spielerische und kreative Lernansätze sind eine wichtige Voraussetzung für Lernbereitschaft und nachhaltiges Lernen. Den Bereich Bildung und Kultur – durch Corona weitgehend lahm gelegt – wieder neu mit Leben und Nachhaltigkeit zu füllen, wird ein langer Weg des Wandels sein, die „Sommerschule 21″ eine Chance, ein Baustein, auf diesem Weg“, so Klaus Peters, bis Sommer Lehrer am Gymnasium und Mitorganisator des Projekts.
Als Gymnasium hatten wir zudem das Glück, uns auf bewährte Strukturen des BMGH stützen zu können. Über 25 Dozenten des BMGH (z.T. auch Schülerinnen und Abiturientinnen des Gymnasiums Burgdorf) betreuten während der „Sommerschule 21″ jeweils ca. 5-7 Kinder und bildeten Lernorganisationsgemeinschaften. Als Ansprechpartnerinnen ermutigten sie die Kinder Neues auszuprobieren und Angebote anzunehmen. Sie begleiteten die Kinder zu den ReferentInnen (GymBu-KollegInnen mit oben genannten Unterrichtsangeboten) und halfen bei der Nachbereitung der Unterrichtsinhalte sowie der Versprachlichung des Erlebten (gesammelt ergeben diese Berichte ein gemeinsames Buch, welches die SchülerInnen noch als kleine Erinnerung erhalten werden).
Die Sommerschule verteilte sich auf insgesamt vier Standorte: das BMGH, das Kulturzentrum Burgdorf, die Astrid-Lindgren- Grundschule und das Gymnasium Burgdorf. Daher bot es sich an, die Sommerschule in einen Vormittags- und einen Nachmittagsblock von jeweils drei Stunden zu strukturieren. Während der Vormittag Unterrichtsangebote enthielt, wurden mittags in den für die DozentInnen bereitgestellten Räumen der Unterricht nachbereitet. Sport als Differenzierungsangebot gab es zudem ganztägig; kulturelle Angebote waren hingegen vorrangig für den Nachmittag vorgesehen. Der Mittwoch war explizit für gemeinsame Ausflüge gedacht: ein Besuch im Zoo, im Kletterpark, oder eine Spaßveranstaltung, die die Kinder mit ihren DozentInnen selber auswählen und organisieren konnten. Das BMGH bot sich zudem an, Arbeitsverträge mit allen ReferentInnen und somit auch mit unseren Lehrkräften des Gymnasiums Burgdorf abzuschließen, was eine ungeheure organisatorische Entlastung für die Schule darstellte. Dafür nochmal ein herzliches Dankeschön! Die in Kürze bereitgestellten Mittel aus dem „Aktionsprogramm” zur Aufbereitung der Lernrückstände gehen in das Schulbudget ein; die Materialien und geleisteten Tätigkeiten im Auftrage des Gymnasiums werden über das BMGH an die ReferentInnen vergütet. Zusätzlich konnten Sponsoren für die Ausrichtung der „Sommerschule 21″ gewonnen werden.
Evaluation der Sommerschule aus schulischer Sicht
Aus schulischer Sicht war die „Sommerschule 21″ ein großer Erfolg! Am letzten Tag bedankten sich die Kinder mit einem Minuten andauernden tosenden Applaus bei allen DozentInnen und ReferentInnen und feierten diese wie Hollywoodstars. Es war sicherlich einer der emotionalsten Momente der letzten Schulzeit! Wie dankbar Hilfe und persönliche Zuwendung empfunden werden kann, vergessen wir PädagogInnen manchmal, wenn es um die Umsetzung der KCs geht und wenn wir bei alldem, was wir so tagtäglich an Kompetenzen vermitteln wollen, völlig unter Zeitdruck stehen. Dieses war daher gerade für uns GymnasiallehrerInnen auch mitunter die größte Herausforderung der „Sommerschule 21″: Wir wollten Lernlücken schließen und inhaltlich arbeiten. Die teilnehmenden Kinder waren allerdings SchülerInnen unterschiedlicher Schulformen. Oft wussten wir nicht genau, welche Gruppe in unserem Klassenraum erscheinen würde und wurden hinsichtlich unserer Differenzierungskünste auf die Probe gestellt. Die Ergebnisse stimmten uns trotzdem sehr zufrieden. An der Idee einer Sommerschule wollen wir daher wohl festhalten. Die Stimmung in den Ferien im Schulgebäude war mitreißend. Der Flötenkurs zum Beispiel – zunächst begonnen mit drei Interessierten – zählte zum Schluss 20 TeilnehmerInnen, so dass der Kurs schließlich geteilt werden und doppelt stattfinden musste; die SchülerInnen musizieren auch nach der Sommerschule noch weiter und es ist bemerkenswert, wie sie einen Zugang zu Instrumenten und dem gemeinsamen Musizieren gefunden haben. Auch die Schwimmkurse waren besonders erfolgreich: Viele Kinder haben den eisigen Temperaturen des Freibads getrotzt, im kalten Nass geübt und sogar ihr Schwimmabzeichen machen können.
Doch an der Nachhaltigkeit unseres unterrichtlichen Handelns – so ergaben auch die anschließenden in-house-Evaluationsgespräche – würden wir gerne weiter arbeiten, ohne dabei die Begegnungen mit Kindern anderer Schulformen
aufgeben zu wollen. Unterschiedliche Modelle sind hier denkbar. Es bleibt also spannend.
Anbei finden Sie noch ein paar schöne bildliche Impressionen des Projekts:
Text & Fotos: Fr. Schwarzrock-Pittalis