Montag (Carolin)
Unser Abenteuer begann früh am Morgen um 8 Uhr am Hauptbahnhof Hannover, als wir uns bereit machten, unsere Reise nach Wrocław anzutreten. Der Zug nach Berlin Ostbahnhof sollte um 8:31 Uhr abfahren, doch wie so oft bei der Deutschen Bahn, starteten wir mit einer kleinen Verspätung. Die Fahrt nach Berlin verlief angenehm und bot uns die Gelegenheit, uns entweder ein wenig auszuruhen oder angeregt mit unseren Mitschülern und Freunden zu plaudern. Die anfängliche Entspannung wurde jedoch durch die Verzögerung am Berlin Ostbahnhof etwas getrübt. Die Zeit drängte, und wir mussten unsere Koffer – ganz gleich, ob schwer oder leicht – in schneller Hektik die Treppen zum Gleis hinauf und hinunter schleppen, um unseren Anschlusszug nach Wrocław noch rechtzeitig zu erreichen.
Die längere Strecke von Berlin nach CGłówny gestaltete sich dann jedoch weitaus entspannter. Die Abteile, ausgestattet mit einem Hauch von Retro-Charme – die DB verbaut seit 1993 keine klassischen Abteile mehr – waren weitestgehend leer und boten ausreichend Platz und Stauraum. Während der Zugfahrt brachte eine Servicekraft mit ihrem Wagen Snacks und Getränke vorbei – leider keine Schokofrösche, aber das Gefühl, fast wie im Hogwarts-Express zu sitzen, machte vieles wett.
Als wir am Wrocław Główny ankamen, wurden wir zunächst von der Umgebung etwas enttäuscht. Das Bahnhofsviertel von Wrocław entsprach leider dem typischen, weniger einladenden Flair vieler Bahnhofsviertel weltweit. Mit unseren Koffern kämpften wir uns zum Hostel vor. Die Böden waren für Kofferrollen nicht gerade ideal und von Schüler- wie Lehrerseite wurde sich ausgiebig beklagt. Nach einer halben Stunde erreichten wir schließlich einen eher unfreundlich wirkenden Hinterhof, der jedoch unsere Unterkunft für die nächsten fünf Tage beherbergen sollte.
Zwar machte das Hostel von außen einen weniger einladenden Eindruck, doch der Blick ins Innere bot uns eine überraschend positive Wende. Nach dem Check-in hatten wir etwas Zeit zum Entspannen und Akklimatisieren. Gemeinsam machten wir uns auf, um Geld zu wechseln, und kamen dabei am Marktplatz vorbei, der unser anfängliches Bild von Wrocław auf den Kopf stellte. Der Marktplatz war lebendig und einladend, mit bunten Blumenständen, gemütlichen Restaurants, stilvollen Bars und dem beeindruckenden historischen Rathaus, das die Atmosphäre des Platzes noch verstärkte.
Der einzige offizielle Programmpunkt für diesen ersten Tag war der gemeinsame Spieleabend. Da der Gemeinschaftsraum im Hostel aufgrund von Lärmproblemen nicht nutzbar war, zogen wir kurzerhand auf den Platz vor der Philharmonie um. Einige Mitschülerinnen hatten ein spannendes Programm mit Werwolf und mehreren Quizzen vorbereitet, mit welchen wir den Abend lustig haben ausklingen lassen.
Dienstag (Milan)
Nachdem wir uns alle vom Spieleabend erholt hatten, begann unser Dienstag mit einer großartigen Stadttour von Norbert, unserem tollen Stadtführer. Nicht nur hat er uns die schönsten und besten Ecken von Wroclaw gezeigt, sondern uns auch noch mit dem kleinen, aber vielfältigen Wahrzeichen der Stadt vertraut gemacht – den Zwergen (siehe Fotogalerie). Diese gab es in allen Formen und Größen – von Bibliothekaren zu Wissenschaftlern, über Bäcker und Künstler, bis hin zu Rittern und Soldaten war alles vertreten. Nachdem die darauffolgende Obsession mit diesen Metallzwergen verflogen und Norbert uns ins Herz der Oderinsel geführt hatte, stand uns frei, eben diese zu erkunden und eines der vielen tollen kleinen Restaurants direkt an der Oder zu besuchen.
Gegen Nachmittag versammelten wir uns alle vor dem Panorama von Raclawice, einer Art Museum für ein lebensgroßes, 360° umfassendes Gemälde der Schlacht bei Raclawice, welches eine der ersten Auseinandersetzungen zwischen polnischen und russischen Truppen während des Kościuszko-Aufstandes abbildete. Nach dem sehr informativen Audio-Guide, welcher das Bild bis ins tiefste Detail beschrieb, begaben wir uns noch zum Nationalmuseum und betrachteten allerhand Kunstwerke, Ausstellungsstücke.
Anschließend stand uns frei, noch länger im Museum zu bleiben, ein weiteres am anderen Ende der Stadt zu besuchen oder zurück zum Hostel zu gehen und unsere Freizeit zu genießen. Option 3 war dabei durchaus am beliebtesten. Nach allen möglichen köstlichen Abendessen und Kirschsaft-Verköstigungen kehrten dann gegen Abend alle allmählich ins Hostel zurück und bereiteten sich individuell physisch und psychisch auf den morgigen Besuch der KZ-Gedenkstätte Groß-Rosen vor.
Mittwoch (Sascha)
Mittwoch begann wie der vorherige Tag mit einem minimalistischen Frühstück im Hostel. Heute war der Hauptprogrammpunkt eine Führung durch die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Groß-Rosen, etwa 50 Kilometer von Wroclaw entfernt. Nach einer einstündigen Busfahrt, welche einigen auch zum Schlafen diente, erreichten wir die Gedenkstätte.
Unweit vom Parkplatz konnte man bereits den originalen Torbogen der Zaunanlagen erkennen und es wurde schnell klar, dass dieser Besuch Eindruck hinterlassen würde. Die Führung begann mit einem Film, welche grobe Details zu den Hintergründen des KZ erläuterte und Zeitzeugen zu Wort kommen ließ. Das KZ wurde im April 1940 gegründet und diente ursprünglich als ein Außenlager des KZ Sachsenhausen. Doch schon im März des nächsten Jahres wurde es deutlich vergrößert und bildete nun ein selbstständiges Konzentrationslager, später mit eigenen Nebenlagern in der Region. Die Opfer des Lagers mussten unter grauenhaften sanitären Bedingungen in einem Steinbruch nahe des Lagers Granit abbauen, ohne jegliche maschinelle Hilfe. Diese körperlich zersetzende Arbeit führte zu vielen Toten und Unfällen, was dem grausamen „Plan“ der Nazis entsprach.
Die eigentliche Führung begann nun mit einem Blick auf den Grundriss des Lagers, was das Ausmaß dieses mörderischen Ortes erneut verdeutlichte. In den folgenden zwei Stunden wurde uns der Steinbruch sowie diverse Gebäude innerhalb des Lagers gezeigt, darunter die ehemalige Küche, ein Waschraum und ein rekonstruierter Schlafraum, welcher schon kurz nach der Erbauung vollkommen überbelegt war. Der Fokus lag hauptsächlich auf den unmenschlichen Bedingungen innerhalb des Lagers, was erneut klar machte, dass dies ein Ort war, an dem man als Insasse sterben sollte; entweder durch die täglichen Hinrichtungen und Erniedrigungen auf dem Appellplatz sowie die gefährliche und zermürbende Arbeit im Steinbruch oder schlicht die unzureichende Versorgung mit Nahrung, Hygiene und Medizin.
Im späteren Verlauf des Tages kehrten wir erschöpft zurück nach Wroclaw, nutzen einige freie Stunden zur Erholung, Besichtigung der Stadt oder Reflektion über das Gesehene und kamen in einem typisch polnischen Lokal zusammen, in welchem wir den Tag gemeinsam besprachen und ausklingen ließen.
Donnerstag (Line)
Am Donnerstag konnten wir das erste Mal richtig ausschlafen. (Dieses Angebot haben auch alle ausgiebig genutzt). Bis 15 Uhr hatten wir dann Zeit zu unserer freien Verfügung. Ein Teil der Gruppe besichtigte beispielsweise den Sky Tower, währenddessen andere durch die Innenstadt Breslaus schlenderten, kleine Läden begutachten, Fotos schossen und das eine oder andere polnische Wort im Vorbeigehen aufschnappten, z.B „Uwaga“ (=Achtung!). Zu einem gelungenen und echten Tag in Wroclaw gehört selbstverständlich aber auch ein kurzer oder manchmal auch mehrere kurze Abstecher zu „Zabka“, der omnipräsenten Mini-Supermarktkette Polens. So auch am Donnerstag.
Bevor es gegen 15 Uhr also auf die unterhaltsame Kajaktour auf der Oder ging, rüsteten wir uns noch einmal mit genügend Wasser aus. Jedenfalls fast alle, denn die erste Mission des Kajaks von Ezgi, Didem und Herrn Freischmidt war es, Anwohner und Bootsbesitzer nach Wasser zu fragen (es wurden ganze drei Flaschen abgestaubt). Aber auch der Rest der Gruppe hatte eine schöne Zeit auf dem malerischen Fluss. Auch wenn es am Anfang ein paar Startschwierigkeiten mit der Lenkung und Steuerung gab, schaffte es schlussendlich jede Gruppe, ihren eigenen Rhythmus zu entwickeln. Super: Niemand ist ins Wasser gefallen, wenngleich ein Kajak am Ende eher einer halbvollen Badewanne glich.
Aber auch dieser Tag war ziemlich eng getaktet. Deswegen mussten wir uns anschließend beeilen, um rechtzeitig zu der von Schüler*innen geplanten Altstadttour zu kommen. Also hieß es schnell zum Hostel, duschen, umziehen, fertig machen und schon wieder los. Wir besuchten insgesamt drei kleinere Lokale, in denen wir bei polnischer Musik und Snacks einen schönen Abschlussabend verbrachten. Zwischendurch wurden hin und wieder Aufnahmen für den SeminarfahrtsVlog von Carla gemacht und die letzten Tage rekapituliert. Wie so oft endete der Tag bei vielen mit einem letzten „Zabka“-Besuch, um sich für die Rückfahrt am nächsten Tag auszustatten.
Freitag (Luna)
Es war nun die Zeit gekommen, die Rückreise anzutreten. Nach einem Frühstück, bei dem sich ordentlich Proviant für die Zugfahrten eingepackt wurde, hatten wir noch ein wenig Freizeit. Ein paar gingen Souvenirs für die Liebsten zu Hause shoppen, andere haben sich einfach an ein schattiges Plätzchen gesetzt und die Zeit genossen, bevor wir wieder aufbrechen mussten. Oder man hat es wie Phil gemacht und sich einer fremden Reisegruppe bei einer englischen Stadtführung angeschlossen, bis man aufgeflogen ist und weggeschickt wurde. So hat also jeder dieses entspannte Zeitfenster ganz individuell genutzt.
Nun standen wir also am Bahnhof. Ausgegangen sind wir von der Abfahrt in Breslau um 13:02 Uhr sowie die Ankunft in Hannover um 19:28 Uhr. Dieser Plan ging natürlich mal wieder nicht auf. Der Zug in Polen ließ auf sich warten. Die Zeit verging und die Unruhe stieg, denn schließlich mussten wir unseren Anschlusszug in Berlin bekommen. Endlich im Waggon angekommen, ließ das nächste „Abenteuer“ nicht lange auf sich warten. Es gab Probleme mit den Sitzplätzen. Wir konnten nämlich auf den Tickets nicht einsehen, welche unsere waren. Herr Finger hat alles gegeben und mit viel Mühe und Kraft versucht, das Problem zu lösen. Dies hat schließlich zu einem Herumtelefonieren von vier Stunden geführt. Nach und nach wurden Sitze frei. Ob diese allerdings die waren, die im Vorhinein reserviert wurden, konnten wir nicht abschließend feststellen – egal! Unsere nächste Challenge war dann das Sprinten zum Anschlusszug. Für die Passanten sah dies mit Sicherheit aus wie die Ausführung einer neuen Olympia-Disziplin: Eine Schulklasse gegen die Zeit. Wettsprinten mit der Erschwerung des vollgepackten Koffers. Den Zug haben wir zum Glück trotzdem bekommen. Auch hier gab es allerdings eine auf uns wartende Verspätung. 18:06 Uhr sollten wir losfahren, angefangen zu Rollen haben wir erst um 18:24 Uhr. Diesmal saßen wir zumindest alle. Es waren zwar wieder nicht die ursprünglich reservierten, aber das war uns dann auch wirklich egal. Schließlich sind wir um 20:16 Uhr am Hannover Hauptbahnhof angekommen. Wir waren zwar müde und kaputt von der langen Reise, aber trotzdem wusste man, wenn man den Schlafentzug ausgeglichen hat, würde man sich an eine tolle Zeit und bleibende Erinnerung zurückdenken können.
Text: Carolin, Milan, Sascha, Line, Luna; Fotos: Luna, Jenny, Hr. Freischmidt